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Geschichten aus der SAW

«Ich liess mir früher alles von den Mitarbeitenden heraussuchen»

Als Verkaufsleiter einer Schweizer Maschinenfirma bereiste Wolfgang Weber (95) fast die ganze Welt. Er ist fasziniert von technischen Dingen, vor allem aber konnte er es immer gut mit Menschen. Heute pflegt er seine nationalen und internationalen Kontakte per E-Mail am Computer. Dabei kaufte er sich seinen ersten Laptop erst mit 66 Jahren.

«Von meinem Balkon aus sehe ich bei schönem Wetter über die ganze Stadt, vom Limmattal im Nordwesten bis zum Säntis im Südosten. Ich glaube, ich habe eine der schönsten Wohnungen der ganzen SAW. Nach dem Tod meiner Frau war mir das Haus in Oerlikon zu gross geworden, aber ich habe mehr als acht Jahre warten müssen, bis ich diese Wohnung bekam. Als ich vor fünf Jahren in die SAW-Siedlung Irchel gezogen bin, habe ich meine Nachbarinnen und Nachbarn zu einem Essen im Gemeinschaftsraum eingeladen, um meinen Sohn und mich vorzustellen. Er ist schon 61 Jahre alt und seit der Geburt geistig behindert. Mindestens einmal im Monat kommt er zu mir. Früher blieb er auch übers Wochenende, aber mit meinen bald 96 Jahren kann ich ihn nicht mehr länger als einen Tag betreuen.

 

Technische Dinge haben mich immer interessiert. Das war auch wichtig im Beruf. Mein ganzes Leben lang arbeitete ich bei der gleichen Firma, war immer in der Geschäftsleitung und bereiste als Verkaufsingenieur viele Länder: Deutschland, Frankreich, England, Afrika etc., aber auch privat nach Brasilien, China, Russland und in weitere Länder. Bei Berufsende sagte ich: „Jetzt verliere ich auch mein Hobby“, denn die Arbeit war mir Beruf und Leidenschaft zugleich. Oft habe ich bis spät in die Nacht oder am Wochenende noch gearbeitet. Natürlich hatten wir Computer in der Firma – aber ich habe mir die Daten von den Mitarbeitenden heraussuchen lassen. Erst nach meinem Rückzug aus der Firma mit 66 Jahren habe ich mir einen Laptop gekauft und sofort Kurse genommen. Es hat mich einige Zeit gekostet, bis ich alles kapiert habe, schliesslich bin ich nicht mit den modernen Technologien aufgewachsen. Ich habe „Teamviewer“ installiert, damit meine Tochter im Tessin mir helfen kann, wenn ich etwas nicht zustande bringe oder unabsichtlich eine Einstellung verändert habe. Auf dem Computer schreibe ich vor allem Briefe und E-Mails an Freunde und Bekannte in aller Welt. Und manchmal suche ich mir auch Informationen im Internet zusammen. Zwei Drucker habe ich auch und ein hochmodernes Telefon mit Anrufbeantworter und allem Drum-und-Dran. Das Handy benutze ich nur selten. Ich habe es dabei, wenn ich weggehe. Ein zweites Handy übernimmt nachts den Weckdienst. Aber telefonieren tue ich damit fast nie.

 

Im Zweiten Weltkrieg war ich im Aktivdienst. Als ich bei der Aushebung gefragt wurde, wo ich eingeteilt werden wolle, sagte ich „IK“ – ohne zu wissen, was die „Infanteriekanoniere“ genau machten. Aber IK waren die Initialen meiner damaligen Freundin und späteren Frau Irène. Wir waren 55 Jahre lang glücklich verheiratet – bis zu ihrem Tod im Jahr 2005. Zusammen hatten wir drei Kinder. Mein Ältester starb vor 20 Jahren an einer Tropenkrankheit. Die Tochter lebt im Tessin. Ich reise zwar nicht mehr so viel wie früher, aber ich bin immer noch gut vernetzt – mittlerweile auch hier in der Siedlung. Wenn ich da etwas ändern dürfte, würde ich den Gemeinschaftsraum vergrössern, damit mehr Leute zusammenkommen können. Für unsere grosse Siedlung ist er zu klein.»